Eishockey im Film #9: Red Penguins – Von Macht und Gier auf Eis
Als das NHL-Franchise Pittsburgh Penguins in den Klub der roten Armee investierte, entwickelte sich eine absurde Geschichte um amerikanisches Marketing im chaotischen Russland der Neunzigerjahre. „Red Penguins” aus dem Jahr 2019 ist schon die zweite sehenswerte Eishockeydokumentation des Regisseurs.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stiegen die Inhaber der Pittsburgh Penguins Howard Baldwin und Thomas Ruta beim ZSKA Moskau ein. Dort brauchte man dringend Geld und die Amerikaner witterten ihre Chance, einen völlig neuen Markt zu erschließen. Der exzentrische Marketing-Experte Steven Warshaw wurde in die russische Hauptstadt entsandt, um den Armeeklub nach NHL-Vorbild umzukrempeln. Er verwandelte den Moskauer Eispalast in ein Varieté – allerdings mit deutlich weniger Niveau. Es regierten nun die drei großen B: Bikinis, Bier und Bären. Erfolg hatte Warshaw damit trotzdem: Das Publikum strömte in Scharen.
Mit den Einnahmen kamen allerdings auch die Probleme: Trainer Viktor Tikhonov und Manager Valery Gushin wirtschafteten an ihren amerikanischen Partnern vorbei. Zwielichtige Gestalten erschienen auf der Bildfläche. Russland versank in Kriminalität und Korruption. Von der Regierung oder der Armee war keine Hilfe zu erwarten. Irgendwann wurde es für Warshaw sehr gefährlich.
Große Fußstapfen des Vorgängers
Mit seinem aktuellen Werk liefert Regisseur und Produzent Gabe Polsky den nächsten gefeierten Eishockeybeitrag ab. Der Vorgänger „Red Army – Legenden auf dem Eis” gilt als eine der besten Sportdokumentationen überhaupt. In beiden Filmen tritt Eishockey zugunsten seiner Protagonisten in den Hintergrund. Für „Red Penguins” gilt das noch etwas mehr.
Dadurch kommen die Figuren allerdings auch in ihrer ganzen Absurdität zur Geltung. Wenn die umstrittene Trainerlegende Tikhonov plötzlich Werbung für Hustenbonbons macht, kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Bemerkenswert ist auch die naive Ahnungslosigkeit der Amerikaner. Bis zum bitteren Ende schien niemand den Ernst der Lage wirklich zu begreifen. Warshaw meint, er habe „nicht weiter darüber nachgedacht”, als das russische Parlament 1993 von Panzern beschossen wurde: „Ich hatte Locken und keinerlei Sorgen.” Investor Baldwin will nichts von dem wachsenden Einfluss des organisierten Verbrechens mitbekommen haben, weil er in Pittsburgh mit dem Filmdreh von Sudden Death beschäftigt war.
Polsky erzählt erneut vor der Kulisse des russischen Eishockeys eine fesselnde Geschichte aus sozialkritischer Perspektive. Deren Wirkungsmacht reicht zwar nicht ganz an den Vorgänger heran, macht die Dokumentation aber dennoch sehenswert. „Red Penguins” läuft heute Abend um 22.35 Uhr auf 3sat und ist darüber hinaus in der ARD-Mediathek abrufbar.
Foto: ©️ Prime Video/ Amazon Studios
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